Mittwoch, 19. Dezember 2007

FR, 19.12.2007

Georg Leppert schrieb heute über uns in der FR:

Bücherstreit eskaliert

Es ist nur eine verhältnismäßig kleine Bibliothek: 45 000 Bücher stehen in den Regalen des Orientalischen Seminars der Goethe-Universität an der Dantestraße. Doch die Einrichtung ist zum Politikum geworden. In dieser Woche hat der Streit um die Zukunft der Bücher einen neuen Höhepunkt erreicht: Wie eher beiläufig bekannt wurde, verlagert die Frankfurter Uni die Bibliothek nun doch schon in den nächsten Monaten nach Marburg. Der Asta der Goethe-Uni spricht von einer "nicht hinzunehmenden Zumutung", Orientalistik-Professor Hans Daiber gar von einer "Aufforderung zum Rechtsbruch". Das hessische Wissenschaftsministerium hingegen wiegelt ab: "Die Studierenden werden die erforderliche Literatur zur Verfügung haben", sagt Ministeriumssprecher Ulrich Adolphs.
Besiegelt war das Schicksal der Bibliothek im Sommer 2005, als Wissenschaftsminister Udo Corts (CDU) verkündete, dass an der Marburger Philipps-Uni ein Zentrum für Nah- und Mittelost-Studien entstehen soll. Die Unis Frankfurt und Gießen sollten ihre Bücherbestände dorthin auslagern - dafür bekamen sie andere Zentren für kleinere geisteswissenschaftliche Fächer zugewiesen. Allerdings: Den Studierenden versprach Corts, dass sie ihr Studium bis 2010 fortsetzen können, ohne die Hochschule zu wechseln.Genau diese Zusage sehen Frankfurter Orientalistik-Studierende wie Anja Pfeffermann nun gebrochen. Denn nach einer Vereinbarung zwischen den Universitäten in Frankfurt und Marburg und dem Wissenschaftsministerium, die der Frankfurter Rundschau vorliegt, werden 30 000 Bände bis Mitte Februar 2008 nach Marburg verlagert. Betroffen sind die Fachgebiete Landeskunde, Geschichte islamischer Völker, arabische Literatur und Iranistik. Die restlichen Werke sollen im Sommersemester folgen."Wie soll ich ohne die Bücher in Frankfurt meinen Magister machen?", fragt sich Anja Pfeffermann. Sie habe nicht die Zeit, um täglich nach Marburg zu reisen. Und das Instrument der Fernleihe sei umständlich und funktioniere nur selten.Noch deutlicher wird Professor Hans Daiber: "Die den Frankfurter Orientalistikstudenten zugesagte Zusicherung, ihr Studium bis 2009 / 2010 abschließen zu können, lässt sich ohne Bibliothek nicht einhalten", schreibt er in einer Stellungnahme.Noch vor einem Monat schien eine Lösung im Bücherstreit gefunden. Der Asta teilte erfreut mit, die Unis in Frankfurt und Marburg hätten sich darauf geeinigt, dass die Bibliothek bis 2010 nicht verlagert wird. Doch davon ist in der nun getroffenen Vereinbarung keine Rede mehr. Der Frankfurter Asta spricht daher von "Ränkespielen des Präsidiums".Wenig Verständnis für die Aufregung in Frankfurt haben die Marburger Orientwissenschaftler. "Wir betreiben keine Raubritterei", sagt Walter Sommerfeld, der Gründer des Zentrums für Nah- und Mittelost-Studien. Wichtige Standardwerke der Orientalistik verblieben in Frankfurt. Außerdem sei es den Studierenden schon zuzumuten, "einmal pro Woche nach Marburg zu kommen".Ähnlich sieht man das im Wissenschaftsministerium. Adolphs verweist auf das Semesterticket, das für Fahrten an die Lahn gelte. Zudem sei sichergestellt, dass für die Orientalistik-Veranstaltungen, die bis 2010 in Frankfurt angeboten werden, die nötige Literatur bereit stehe.
Georg Leppert

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