Sonntag, 28. Oktober 2007

FR, 28.10.2007




Orientalisten kämpfen um Bibliothek
Studierende fürchten um Qualität der Lehre, wenn zehntausende Bücher nach Marburg umziehen

VON JUTTA MAIER -- Foto: Boeckheler
Mohsen Zakeri, Forschungsmitarbeiter des Orientalischen Seminars, zieht ein ebenso reich verziertes wie vergilbtes Buch aus dem Regal: einen Band der " Geschichte des osmanischen Reiches" von 1843. "Das sind Museumsstücke", sagt Zakeri und streicht über die Buchrücken, "so eine Bibliothek wie hier gibt es sonst nirgendwo auf der Welt."Lange werden diese Schätze nicht mehr in Frankfurt stehen. Denn wie am Orientalischen Seminar erst vorige Woche bekannt wurde, soll laut eines Briefes von Vize-Universitätsleiter Ingwer Ebsen bereits im Laufe des Novembers mit dem Transfer der 40 000 Bücher starken Frankfurter Bibliothek nach Marburg begonnen werden. Im Zuge der Bündelung von kleinen, geisteswissenschaftlichen Fächern in Zentren wird in Marburg ein Zentrum für Nah- und Mittelost-Studien aufgebaut, in dem die hessische Orientforschung konzentriert wird. Im Gegenzug muss Marburg nach den Plänen der Landesregierung auf die Turkologie, die in Gießen bleibt, sowie auf die Frankfurter Judaistik verzichten. An der Goethe-Universität wird das Zentrum für Ostasien-Wissenschaften angesiedelt, Gießen erhält das Zentrum östliches Europa.
Im Orientalischen Seminar regt sich Protest gegen den plötzlichen Büchertransfer. "Ohne unsere Bücher ist es unmöglich, in der Regelstudienzeit bis 2010 zu Ende zu studieren, wie es uns zugesichert wurde", sagt Mirko Roth, studentische Hilfskraft in der orientalischen Bibliothek.Besonders empört über den Abzug der Bücher sind die Studierenden wegen der in diesem Semester eingeführten Studiengebühren. Sie kämpfen mit einer Unterschriftenaktion dafür, dass der Transfer des Bestands erst 2010 über die Bühne geht. Am Mittwoch übergaben sie im Senat rund 250 Unterschriften. Auf Seiten der Universitätsleitung wird abgewiegelt. Uni-Sprecher Olaf Kaltenborn sagt, es handle sich um ein "reines Problem des Übergangs". Die Bücher würden etappenweise nach Nordhessen transferiert. Dort müssen die analogen Bestände erstmal digitalisiert werden. Für die erste Tranche seien bewusst die Bestände der Iranistik ausgewählt worden. "Davon ist fast kein Student oder Wissenschaftler betroffen", sagt Kaltenborn. Zudem würden den Studierenden die notwendigen Bücher über einen Semesterapparat weiter zur Verfügung stehen. Der Transfer soll bis 2010 abgeschlossen sein - dann wird der Lehrbetrieb in der Frankfurter Orientalistik endgültig eingestellt.Doch Mirko Roth und seine Kommilitonin Anja Pfeffermann fürchten, dass der Bibliothek mit dem Abzug des umfassenden Iranistik-Bestandes das "Rückgrat" fehlen wird. Auch ein Wechsel nach Marburg als Ausweg sei schwierig, weil die Orientalistik dort als Bachelor- in Frankfurt aber als Magisterstudiengang angeboten werde.Wenig Verständnis hat auch der Orientalistik-Professor Hans Daiber, dessen Pensionierung um zwei Jahre verschoben wurde. Er bezeichnet den geplanten Büchertransfer als "großen Verlust für die geisteswissenschaftlichen Fächer der Goethe-Universität". Die Bibliothek müsse allein schon wegen der Verflechtung mit den Religionswissenschaften, dem Zentrum der Wissenschaftsgeschichte, der Judaistik, Afrikanistik und Sprachwissenschaft in Frankfurt bleiben. Zudem entstünden in Marburg Dupletten, weil viele Werke bereits durch den Transfer aus Gießen im Bestand seien. Wenn die Bibliothek schon aufgelöst werden müsse, dann nur als ganzes, sagt Daiber. "Die Aufteilung des Bestands wäre eine Todsünde, weil er in der Zusammensetzung einzigartig ist".Von 2010 an soll in Frankfurt nur noch eine Lektorenstelle für Arabistik zur Verfügung stehen, orientalische Sprachen würden dann als Nebenfach angeboten. Trotzdem pflegt Daiber weiter die Hoffnung, dass die Orientalistik in Frankfurt noch eine Chance bekommt. Immerhin sei der Lehrstuhl am orientalischen Seminar eine Stiftung des jüdischen Bankiers und Universitätsmitbegründers Heinrich Schiff.

1 Kommentar:

gudruncita hat gesagt…

Großartig! Weiterkämpfen! Ich drück Euch die Daumen und kette mich bei Bedarf mit Euch an die Regale. Viel Erfolg und Glückwunsch schonmal zur bereits hergestellten Presseöffentlichkeit!