Die hier gezeigten Leserbriefe beziehen sich auf den FR-Artikel vom 12.01.2008, beide wurden allerdings bislang in der FR nicht veröffentlicht.
Nr. 1: Das Verhalten von Herrn Corts gegenüber Studierenden provoziert die Frage, wie jemand mit seinen Einstellungen überhaupt Bildungsminister werden konnte. Ob es sich um Studiengebühren oder Zentrenbildung dreht, er nimmt den Ausschluss von Studierenden sowie mangelhafte Studienbedingungen in Kauf und unterstreicht dies mit Aussagen wie „Es gibt andere hervorragende Lebenswege ohne Studienabschluss“ (FR 23.11.2003) oder „Die Studenten haben nie etwas von Fernleihe gehört.“ (FR 12.01.2008)
Wenn Herr Corts je selbst studiert hat, sollte er wissen, wie wichtig Präsenzbibliotheken für das wissenschaftliche Arbeiten sind und dass kein Studium einzig durch Fernleihe praktikabel ist, besonders nicht bei dem zeitlichen Druck, den sein Ministerium uns nach Studienbeginn auferlegt hat – Abschluss des gesamten Studiums in der Regelstudienzeit von acht Semestern! Ganz davon abgesehen, dass wir unsere eigene Frankfurter Bibliothek aufgrund des Katalogisierungsprozesses in Marburg bis zum geplanten Studienende 2009/10 wohl kaum wiedersehen werden und uns diese Bücher also weder in Marburg selbst noch durch Fernleihe zur Verfügung stehen.
Es ist eine Schande, dass die verantwortlichen Minister nicht mit den Betroffenen verhandeln können, diese und ihre Proteste immer vor Eliten ins Lächerliche ziehen oder beispielsweise der Öffentlichkeit die „positive Wirkung“ von Studiengebühren an hinlänglich als finanziell gut ausgestatteten Fachbereichen wie Biochemie oder Rechtswissenschaft zu demonstrieren versuchen. Eine solche Arroganz gegenüber lernwilligen jungen Menschen darf in der heutigen Debatte um Bedeutung von Bildung und Wissenschaft nicht hinnehmbar sein!
Fakt ist, dass der Abzug der Orient-Bibliothek mitsamt aller Nebenwirkungen eine gravierende Verschlechterung unserer Studienbedingungen – die durch die Gebühren doch verbessert werden sollten – darstellt und einige Dutzende Orientalistik-Studierende an den Rand des Studienabbruchs treibt.
Herr Corts hat sein Versprechen nicht gehalten, dass wir in Frankfurt unser Studium ordnungsgemäß abschließen dürfen. Er hätte etwas weniger Schläge einstecken können, wenn er sich statt nur um die Zentren auch einmal Gedanken um die Studierenden gemacht hätte, die davon betroffen sind. Wenn man schon Reformen einführt, muss man auch für Übergangsregelungen sorgen. Diese jahrelang undurchdachte Bildungspolitik jedoch ist ein Armutszeugnis für die hessische Regierung!
(Nr. 2 ist nun doch noch veröffentlicht worden, und zwar hier!)
Nr. 2: Vorneweg erst einmal ein lautes, entschiedenes BUUUH! in Richtung des Bildungsministers Corts. Mehr kann einem dazu nicht mehr einfallen, zumal nicht als betroffene Orientalistin. Nach endlosem „Ihr könnt doch einmal die Woche nach Marburg fahren!“ jetzt also ein freches „Wohl noch nie was von Fernleihe gehört?“
Sehr geehrter Herr Minister, die Frage gebe ich gerne zurück: Haben Sie schon einmal versucht, ein Buch über Fernleihe zu bekommen? Ich habe das Procedere schon vielfach (bisweilen auch erfolgreich) erprobt und kann Ihnen aus dieser Erfahrung berichten: Das Buch kommt NIE IM LEBEN in weniger als vier Wochen in seiner Zielbibliothek an. Das heißt: dieser Vorgang ist eine Möglichkeit, wenn man mal ein Buch braucht, das vor Ort nicht zur Verfügung steht. Aber es ist alles andere als praktikabel, STÄNDIG und ALLLE Bücher über Fernleihe zu bestellen. Außerdem: Wissen Sie eigentlich, dass das pro Ausleihe und Buch mindestens 1,50€ (eineurofuffzich!) kostet? Für eine Seminararbeit braucht man gut und gerne zehn Bücher. Darf ich den Betrag pauschal von meinen Studiengebühren abziehen? Ich will Sie gar nicht weiter langweilen mit meinem detailierten Wissen zum Thema, etwa wenn es um die Tücken der Ausleihe arabisch sprachiger Titel geht. Oder um Zeitschriften, wenn beispielsweise schon wieder die falsche Ausgabe geschickt wurde.
Von Vertrauen in hessische Politik kann die Rede nicht mehr sein. Von Enttäuschung in Bezug auf Bundesministerien Schavan ebensowenig. Nur so viel: CDU – und die alte Geschichte von den Krähen und den Augen und so weiter. Tolle PodiumsDISKUSSION!
Ich bin schon jetzt gespannt auf das große Heulen in ein paar Jahren: Meine Kommilitonen und ich werden garantiert nicht mehr hier sein – und dann fehlen sie in Deutschland plötzlich, die Geisteswissenschaftler. Bis dahin!
Die Verfasser beider Leserbriefe sind der Herausgeberin dieses Blogs bekannt.
Mittwoch, 16. Januar 2008
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1 Kommentar:
Leider fehlen sie auch heute schon, die Geisteswissenschaftler. Z.B. in den Entscheidungsgremien der Universitäten, die sich freudig dem Diktat der Wirtschaftlichkeit unterwerfen. Und draußen in der Welt, wo Politiker großer Volksparteien (die wohl nur Jura studiert haben, um die Gesetze zu ihren Gunsten anweden zu können) mit platten Parolen Stimmen am rechten Rand sammeln. Also los, Geisteswissenschaftler aller Bundesländer und Fachrichtungen, vereinigt euch und zieht aus in die Welt, auf dass diese gerettet werde!
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